Bei meinem jüngeren Sohn (eineinhalb Jahre alt) zeigt sich sein Autonomiebestreben zurzeit immens. Am liebsten würde er alles selber und alleine machen (wobei es ihm wichtig ist, dass eine Bezugsperson in der Nähe ist). Er erkundet mit Feuereifer seine Umgebung und kann natürlich in seinem Alter noch keine Gefahren abschätzen. Vor ca. zwei Monaten begann er in seinem Wunsch nach Mobilität und Selbstbestimmung überall hinaufzuklettern wo er nur konnte. Dies kostete mir sehr viele Nerven, mitunter weil es auch vermehrte Stürze zur Folge hatte und er trotzalledem wieder rauf wollte. Zu Beginn holte ich ihn, wenn möglich, jedes Mal wieder herunter und bot ihm Alternativen an, z.B. zu klettern, wenn ich direkt neben ihm war oder anfängliches Einführen von einem stabilen „Lernturm“. Sein Verhalten und seine Aktivitäten veränderten sich aber nicht, es wurde sogar noch gefährlicher, indem er wo raufkletterte, sich gleich aufstellte und die Arme nach oben riss. Ja, er war extrem stolz darauf, dass er es schaffte und seine Vorhaben umsetzen konnte. Ich merkte, dass ich meine Strategie ändern musste, um einerseits seinem Bedürfnis nach Autonomie und Erproben eigener Fähigkeiten gerecht zu werden und ihn andererseits zu schützen. Hierzu begann ich wiederholt zu kommunizieren, dass er sich niedersetzen muss, wenn er es geschafft hatte rauf zu klettern. Das bedeutete wiederholtes wertschätzendes Formulieren wie auch wiederholtes direktes Begleiten, indem ich meine Grenze äußerte und ihn niedersetzte und das gefühlt 1000 Mal am Tag über mehrere Tage hinweg. Ich bin zufrieden mit den jetzigen Entwicklungen. Natürlich kommt es nach wie vor vor, dass ich ihn daran erinnern muss, sich zu setzen bzw. ihn holen muss, wenn er sich wiederholt einen Spaß daraus macht und immer wieder aufsteht, aber im Großen und Ganzen funktioniert es inzwischen gut. Hierzu möchte ich aber auch noch erwähnen, dass es auch nach wie vor Sperrzonen beim Klettern gibt: Tische z.B. oder auch die meisten Spielutensilien.
Für folgende Empfehlung ernte ich mit ziemlicher Sicherheit mindestens ein Stirnrunzeln von meinem Mann: Wie vorhin bereits angedeutet, sollte sich ein Kleinkind so weit wie möglich frei in den eigenen vier Wänden bewegen können. Dies bedeutet einerseits Gefahrenquellen zu reduzieren bzw. zu eliminieren, wenn möglich, aber auch dem Kind gewisse Dinge zuzugestehen. Zugängliche Zimmerpflanzen sind bereits seit der ersten Autonomiephase unseres ersten Sohnes aus dem Wohnbereich verschwunden und für unseren zweiten Sohn haben wir erneut Sicherungen für Schubladen, Kästen und Schränke aktiviert bzw. angebracht. Dies ist sehr frustrierend für meinen kleinen Schatz. Dies zeigt er wiederholt in großer Lautstärke und vollem Körpereinsatz. Dies ist aber klarerweise zu seinem Schutz um Gefährdungsmomente zu verringern. Um seinem Selbstbestimmungsbedürfnis aber trotzdem nachkommen zu können, gibt es einzelne Schubladen und Schränke, die für ihn frei zugänglich sind. Er darf dann nach eigener Lust und Laune z.B. Tuppergeschirr ein- und ausräumen, ineinander stapeln, damit Schüttspiele (auch mit Wasser) in meiner Nähe machen usw. Mein Mann ist genervt davon und meint wiederholt, dass das ja kein Spielzeug sei, aber sind wir alleine zu Hause, so darf mein kleiner Schatz sich und seine Umgebung erkunden und erforschen, solange ich keine Gefahren für ihn sehe. Ich habe hierzu eine hohe Toleranzgrenze und versuche ihn bestmöglich darin zu begleiten, dass er seine Fähigkeiten erproben, Erfolge und Misserfolge erleben und sich so frei wie möglich entwickeln kann. Dies bedeutet aber auch für mich z.B. mehr Aufräumarbeiten, die ich aber klar in Kauf nehme.
Auch unser Kleiner darf bereits Dinge mitentscheiden. So liegt es z.B. in seinem Ermessen, ob und wie lange Zähne geputzt wird. Aus meiner Haltung heraus muss man als Bezugsperson sensibel mit dem Körper des Kindes umgehen und dies betrifft vor allem Aktivitäten, die das Überschreiten von Körpergrenzen/Körperöffnungen anbelangt. Hierzu kannst Du gerne in meinem E-Book „Sichere Bindung leben: In der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr. Aus der Perspektive einer Mama und Pädagogin“ Näheres nachlesen. Ein weiteres sehr simples Beispiel ist: Mein eineinhalbjähriger Sohn darf sich am Abend zwischen zwei verschiedenen Pyjamas oder beim Frühstück zwischen Apfelmus oder Mandelmus als Aufstrich entscheiden. Einerseits hat er eine riesengroße Freude damit, etwas zu tragen bzw. zu essen, das er selbst ausgesucht hat und andererseits fördere ich damit seine Entscheidungsfreude und Autonomie.
Deine MaraMum